Donnerstag, 27. Juni 2013

Janna Oz, ein Tattoo und unsere Freiheit



Auf meinem Weg zu Janna Oz, kommt mir ein Typ entgegen. Er sieht ganz stylisch aus - Baseball Cap, Skinny Jeans, Tunnels in den Ohren, sein Arme sind tätowiert. Eigentlich kein ungewohntes Bild mehr, selbst wenn ich nicht in Köln wäre, sondern in irgendeiner deutschen Vorstadt-Pampa.
Vielleicht ist es kein ungewohntes Bild mehr, weil sich tätowieren zu lassen, eben nicht nur „Mode“ ist, sondern  dem uralten Bedürfnis des Menschen zu Grunde liegt, sein Leben, die Herkunft und die eigenen Kultur auf dem eigenen Körper rituell zu verewigen. Und das ganz unabhängig von Skinny Jeans.





Janna Oz nimmt mich herzlich in den Kreativ-Hallen von Santa Sangre in Köln auf, um mir ein wenig von ihrer Welt und auch ihrem Alltag zu zeigen. Sie ist seit 2006 Tätowiererin. „Ursprünglich habe ich mal Augenoptikerin gelernt“, erzählt sie mir. „Meine Brillen, die ich in meiner Ausbildung bauen durfte waren wirklich ziemlich kreativ und verrückt. Aber danach bist du nun mal mehr oder weniger Verkäuferin und das war einfach nichts für mich. Ich wollte aber schon immer was mit Kunst machen.“ Das Janna vor allem ihrer kreativen Seele Ausdruck verschaffen muss, sieht man sofort, auch an ihrem eigenen Körper. Mit 16 hatte sie ihr erstes Tattoo. „Vor 24 Jahren lief das ein bisschen anders als heute. Abgesehen davon, dass mich niemand nach der Einverständniserklärung meiner Eltern gefragt hat, durfte ich mir mit meinen mühsam ersparten 360 Mark etwas von den Motiven an der Wand aussuchen. Das habe ich dann machen lassen. So fing alles an.“







Tattoos sind für Janna vor allem eins: eine Lebenseinstellung. Es sagt zwar nicht zwangsläufig etwas über die Neigungen einer Person aus, aber es ist auf jeden Fall eine Kunstform, dessen wir uns bedienen, um uns selbst Ausdruck zu verleihen. „Das kann der Werbegrafiker sein, aber auch ein Geschäftsmann im Anzug, der ohne diesen im kompletten Body Suit auf einmal vor dir steht. Wenn man sich tätowiere lassen will, dann geht man eine lebenslange Verbindung mit einem Abschnitt seines Lebens ein.“







Vollkommene Akzeptanz der eigenen Biografie. Wer sich bei Janna schon zu Anfang danach erkundigt, ob Lasern schmerzhaft ist, der hat bei ihr schlechte Karten. Den Namen des Partners sich verewigen zu lassen, ist ein weiteres „No-Go“ bei ihr. „Wenn ich hier eine 18 Jährige sitzen habe, die mir erzählt sie will den Namen ihres Freundes, mit dem sie seit zwei Monaten zusammen ist, auf dem Unterarm haben, dann schicke ich sie wieder nach Hause. Es gibt Sachen, die mache ich nicht, weil ich mit einem ruhigen Gewissen schlafen will.“ Sie nimmt ihre Kunst und ihr Handwerk ernst. Denn das ist es nun mal, das Tätowieren, ein erlernbares kreatives Handwerk (mit sehr viel Tradition und in fast allen Kulturen verbreitet).







Wer aber jetzt bei der IHK anklingelt, um sich nach einem Ausbildungsplatz umzuhören liegt falsch.  Es gibt keine klassische Ausbildung als Tätowiererin. Janna, die schon immer zeichnerisches Talent gehabt hat, bewarb sich mit einer Mappe, bei zwei Tattoo Studios und hat erst Mal bei einem dieser ein Praktikum gemacht. „Du kannst zwar ein Tattoo Studio aufmachen, aber du brauchst schon ein Gefühl für Formen, Licht und Schatten und natürlich eine ruhige Hand. Am Anfang habe ich erst Mal auf Organgen- und Bananenschalen tätowiert, ach ja und auf Scholle, die eignet sich besonders gut (lacht), aber wirklich lernen kannst du es nur am Menschen selbst.“ Wer ihr erstes „Opfer“ war will ich wissen. „Das war ein großer von oben bis unten tätowierter Rocker, der zu mir meinte: ,Komm Mädel, hier is` noch ne Stelle frei, jetzt probier mal.’ Und dann habe ich einfach losgelegt.“ Seitdem hat sie nie wieder etwas anderes gemacht und ist mit Leib und Seele davon überzeugt, auch nie wieder etwas anderes machen zu wollen.




Ihre Inspirationen holt sie sich von alten Kupferstichen und Fotografien aus dem 19 Jahrhundert. Ihre komplett freien Werke spiegeln eine wunderschöne düstere Romantik wieder. Ästhetisch und Leidend zu gleich. So wie bei jedem Künstler hat auch sie Auftragsarbeiten, kann sich aber auch frei austoben. „Das werden meistens die schönsten Motive.“ Zum Großteil sieht sie schon, wenn jemand reinkommt was zu der Person passen würde. Natürlich werde ich neugierig und frage, was sie den meint zu mir passen würde. Ganz klar, ein neo-traditional Style. Es ist auch Jannas Spezialgebiet. „Das sind solide Tätowierungen mit schönen kräftigen Linien. Ich versuche immer reduziert zu bleiben auf zwei bis drei Farben. Meistens gedeckte Farben.“ Sie zeigt mir typische 40er, 50er Jahre Motive. Ich muss sagen mir gefällt was ich sehe.



Vor der Tür bei Kaffee und Zigarette frage ich sie dann, ob sie mir meine Jungfräulichkeit nehmen kann. Seit fast zehn Jahren habe ich den Wunsch mich tätowieren zu lassen, ich glaube besser überlegen kann man es sich nicht mehr. Jetzt scheint mir der richtige Augenblick dafür zu sein. Janna bereitet alles vor und dann geht es auch schon los.



„Ja“, denke ich, während sie mir „Libertad“ auf meine seitlichen Rippen eingraviert „Es ist die Akzeptanz der eigenen Biografie.“ Denn wonach ich immer strebte, war und ist die Freiheit und Janna hat sie mir gegeben.




Mehr Infos über Janna Oz und Santa Sangre Tattoo bekommt ihr hier:




https://www.facebook.com/janna.oz?fref=ts
https://www.facebook.com/santasangretattoo
http://www.santa-sangre.com 

5 Kommentare:

  1. Wow, das nenn ich Mal spontan!
    Ist ein wirklich toller Bericht :o)

    Liebe Grüße, Carmen

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  2. ich schließe mich an: ein toller Bericht.

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  3. Hat wirklich Spaß gemacht den Bericht zu lesen.

    Ich habe auch ein selbstgestochenes Tattoo - ausgerechnet einen Namen habe ich mir eintattooviert.
    Und ich war NIE mit dem Kerl zusammen. Genaugenommen war das eine 1-Stunden-Bekanntschaft (was auch vorher klar war - und nein: Ich meine keinen Sex ;)) - und dennoch habe ich es nie bereut den Namen immer bei mir zu tragen. Manchmal fragen mich Leute, ob ich im Knast war (herrlich unproffesionelles Tattoo) und was der Name bedeutet. Dann erzähle ich die Geschichte. Als meine Cousine mich mit 16 im Kofferraum ihres Wagens mit in die US-Kaserne einschleuste (Nur über 18-jährige in Begleitung stationierter Soldaten wurden reingelassen) und ich die Nacht mit ein paar Soldaten mit Chillen und Musikhören verbrachte und ständiger Angst entdeckt zu werden - dieses Gefühl kommt dann beim Erzählen immer wieder in mir hoch. Wie er dann vor mir stand, der Kain. Wie er eingeschüchtert war - aber die beste Musik mithatte. Wie wir einfach nur saßen und nix sagten bis die Sonne aufging und ich wieder rausgeschmuggelt wurde. Eine unbezahlbare Kindheitserinnerung, die ich nicht missen möchte. Und das verbinde ich mit "Kain" auf meinem Arm.
    Ich habe danach noch viel "Blödsinn" gemacht, z.B. meinen (besten) Freund nach 2 Wochen Beziehung geheiratet - aber nie hatte ich das Gefühl, dass ein Motiv oder ein anderer Name ein besseres Gefühl geben würde als der "Kain".

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Hi und danke für Deinen Kommentar.